Viele Fragen, differenzierte Antworten und eine Zukunftsaufgabe
Aktuelle Kirchenmitgliedsuntersuchung erstmals mit katholischer Beteiligung
„Was ist der Markenkern der beiden großen Kirchen in Deutschland?“ – das ist eine Frage, auf die die 6. Kirchenmitgliedsuntersuchung (KMU) eine Antwort finden wollte. Die Untersuchung wird alle zehn Jahre durchgeführt, nun zum ersten Mal auch unter Beteiligung der katholischen Kirche bei der repräsentativen Befragung wie auch bei den Beratungen im Beirat. Beinahe 600 Fragen wurden an knapp 6000 Menschen mit einem Durchschnittsalter von 50 Jahren im Herbst 2022 durch das Forsa-Institut gerichtet.
Im November 2023 konnte die Studie vorgestellt werden. Sie erreiche nach dem Urteil von Wissenschaftlern durch besondere Detailtiefe den höchsten Stand wissenschaftlicher Erforschung der Kirchenmitgliedschaft beider großen Kirchen in Deutschland. Daher erhielt sie in den Wochen danach innerkirchlich und in der medialen Öffentlichkeit eine große Resonanz.
Im Erzbistum Hamburg wurden die Ergebnisse in einem eigenen digitalen Veranstaltungsformat „KMU-kompakt“ vorgestellt und mit zwei Wissenschaftlern, die an der Studie beteiligt waren, diskutiert. Mehr als 160 Mitwirkende aus dem Ehren- und Hauptamt beteiligen sich an zwei Abenden mit Dr. David Gutmann (Leiter des Kompetenzzentrums Kirchenmitgliedschaft und Kirchensteuer an der Katholischen Hochschule Freiburg) und an einer Abendveranstaltung mit dem aus dem Bistum Münster stammenden Theologen Jan Loffeld (Professor für Praktische Theologie an der Tilburg University School of Catholic Theology in Utrecht). In den Diskussionen wurden erste Schlüsse für die konkrete Arbeit vor Ort mit den haupt- und ehrenamtlich Tätigen gezogen.
Denn neben den wissenschaftlichen Einführungen standen Kleingruppengespräche und ein Austausch in großer Runde im Mittelpunkt der Abende. Zentrale Erkenntnis: Kirche darf man nicht mehr als Monokultur denken und mit bestimmten Vorstellungen von „Pfarrgemeinde“ gleichsetzen. Sie wird sich zunehmend in vielfältigen und fluiden Formen ausdrücken.
Als relevante Fragen schälten sich unter anderem aus den Diskussionen heraus: Wie begegnen wir mit unserem Angebot dem Menschen im heutigen (urbanen) Leben? Was ist das Unverfügbare? Was ist unser Markenkern? Wo bieten wir eine Alternative zu Selbstoptimierung und hektischem Interagieren? Ein besonderes Anliegen bestehe darin, anschlussfähig zu bleiben, aber strategisch und selektiv aus dem Traditionsbestand zu schöpfen.
Neben einer gewissen Ratlosigkeit wuchs bei den Teilnehmenden die Erkenntnis, dass gravierende innerkirchliche Veränderungen im Gange seien. Diese in der Arbeit vor Ort zu erkennen und aufzugreifen, wurde als notwendig angesehen. Insgesamt wurde deutlich, dass die rapide Abnahme der Mitgliederanzahl mit neuen Konzepten zu kontern sein müsste, wie zum Beispiel die lobenswerten Maßnahmen der Mitgliederkommunikation, die auf Bistumsebene mit den Briefen des Erzbischofs als auch auf der Ebene der Pfarreien mit der Ansprache zu den Hochfesten oder von genau zu bestimmenden Zielgruppen versucht, das Heft des Handelns wieder zu erlangen.
Nach den Gesprächen in dem digitalen Format wird überlegt, die Reichweite der Erkenntnisse der Studie durch ein Kondensat von kurzen knappen Thesen zu erhöhen und zu einem Konsens für weiteres kirchliches Handeln zu kommen. Mit dem Wunsch, der möglich vorhandenen Ratlosigkeit Handlungsalternativen entgegen zusetzen. Dabei sei die Zielperspektive, dass Ehrenamtliche in verantwortlichen Positionen verstehen lernen, welche gravierenden gesellschaftlichen Veränderungen durch die Säkularisierung geschehen, welche Auswirkungen das auf kirchliches Handeln und die zukünftige Mitgliederstruktur habe, auch um vor Ort angemessen reagieren zu können.
von Andreas Herzig
Bild von Mohamed Hassan auf Pixabay